VINCE MELOUNEY/Ex-BEE GEES: „Massachusetts“-Musical

B7011159 / Vince Melouney, Bee-Gees-Musical Massachusetts, Ingolstadt, Saturn-Arena (c) Bernd Schweinar

Tieftaucherlebnis in Nostalgie und Disco-Fieber | Ex-„Bee Gees“-Gitarrist Vince Melouney im Interview |

„Bee Gees“, der Bandname der „Brothers Gibb“ zerfließt noch immer wie Honig. Auch Jahrzehnte nach dem Ableben von Maurice und Robin Gibb. Deren Gitarrist Vince Melouney ist als Teil der italienischen Musicalproduktion „Massachusetts“, die auch in der Saturn-Arena in Ingolstadt gastierte. Allmusic.de sprach mit Vince auf Vermittlung von Carla Olson und Jonathan Lea (Bandmitglied von Dave Davies/“Kinks“) exklusiv.

Vince Melouney ist inzwischen 76 Jahre alt. Ein höflicher, sehr zurückhaltender, nobler Mensch, der uns Backstage in der Saturn-Arena von Ingolstadt gegenüber sitzt. Er war Gitarrist der ersten vier „Bee Gees“-Alben Ende der sechziger Jahre und ist auf vielen Welthits der Band zu hören. Beim Musical der süditalienischen Brüder Pasquale, Walter und Davide Egiziano ist Melouney noch bei fünf Songs dabei. Ebenso wie Blue Weaver, der langjährige Bandkeyboarder und einstige Architekt des Disco-Sounds der Gibbs. Beide sind aber nicht nur Alibi-Heroen, sie bereichern und faszinieren live, obgleich die Show vom fulminanten Gesang der Egizianos geprägt ist.

Wie kommt ein im englischen Summerset lebender Australier zu einer kalabresischen Musicalproduktion? Der Start war in der Tat etwas schwierig, antwortet Vince Melouney. Er sei gerade wieder in Australien gewesen, als Pasquale Egiziano anrief und ihm vom Musical erzählte und einen Gastauftritt anfragte. Man verabredete sich zu einer Show in Deutschland und seit 2016 ist er dort jetzt Mitglied. Seine Worte reflektieren wie wohl er sich dabei fühlt: „Jeder Abend ist anders. Die Show selbst ist für mich ein Knaller! Alle Beteiligten sind überaus professionell. Die Egiziano-Brüder sind hervorragende Sänger. Auch die Band spielt auf den Punkt. Nicht zu vergessen die Tänzerinnen und Tänzer. Alle sind mit Herzblut dabei, machen das nicht nur als Job. Eine liebenswerte Truppe.“

Vince Melouney kommt zweimal auf die Bühne: „Wir starten mit ‚New York Mining Disaster 1941‘ und ‚Holiday‘ in er ersten Hälfte“, erzählt er und fährt mit empathischem Unterton fort „Beim zweiten Set komme ich dann mit ‚In The Morning“ und wir finishen mit ‚Idea‘. Die Egiziano-Brüder singen dazu im Background.“

Das ist fast so, wie Anfang der sechziger Jahre als die „BGs“, tatsächlich den Harmoniegesang zu zwei Singles von Melouneys Band beisteuerten: „Die Gibb Brothers lebten damals im australischen Hurstville und wir trafen uns im St. Claire Studio eines Freundes. Ich spielte Gitarre auf ein paar ihrer Songs und sie sangen auf zwei meiner Songs. Du kannst ihre Uuuhs und Aaahs gut hören. Das war noch bevor sie berühmt wurden. Die Leute sahen uns damals eher als kindische Teenieshow. Aber sie waren schon damals sehr gut, und der Harmoniegesang fantastisch.“

Er kommt auch nach Jahrzehnten immer noch ins Schwärmen wenn er an die goldenen Zeiten der „Bee Gees“ zurück denkt. Magische Momente? „Es gab zu viele!“. Am meisten war er beeindruckt von den Menschenmassen, vor denen sie damals gespielt haben.

Barry Gibb hat Melouney zuletzt 2004 bei einem Konzert in der beeindruckenden Hollywood Bowl von Los Angeles getroffen. Maurice ist 2003 und Robin 2012 verstorben. Aber in den fesselnden Stimmen der Egiziano-Brüder fühlt er ihre Aura immer noch um sich. Wenn Davide Egiziano „Saved By The Bell“ von Robin Gibb schmachtet, dann zerfließt nicht nur das Publikum. Ein zwar in die Jahre gekommenes Publikum, das aber insbesondere beim ausgiebigen Disco-Teil aus den siebziger Jahren fulminant mitzugehen weiß. Hier wird auch der zweite Ex-Begleitmusiker der „Bee Gees“ zu einem der Hauptacts, der Waliser Blue Weaver, der den Keyboardsound und Falsettgesang der „Night Fever“-Ära elementar prägte.

Der Tourauftakt in Ingolstadt ist die erste Show nach fast zwei Jahren. Sie haben vorher sechs Tage in Berlin geprobt und Corona hat auch ihnen allen böse mitgespielt. Melouney erzählt, dass er während der Corona-Pause viele Songs geschrieben und an anderen mitgewirkt habe. Kurz vor Pandemiebeginn war er noch in Los Angeles und hat mit der Band „Strangers In A Strange Land“ sowie dem Schlagzeuger Clem Burke von Blondie den alten Klassiker „Women“ der australischen Oldieheroen „Easybeats“ aufgenommen. Die „Strangers“ hätten ihn dann auch gebeten, bei der Aufnahme des „Bee Gees“-Songs „Ring My Bell“ mitzuwirken. Die Gitarre hat er dann während des Lockdowns daheim eingespielt und nach Amerika geschickt. Langweilig war ihm nicht. Sein Freund Jonathan Lea (Gitarrist u.a. für Dave Davies/Kinks, Carla Olson, Jigsaw Seen) habe auf Youtube einen alten Song von ihm wiedergefunden, den er 1969 für Ashton, Garner & Dyke und mit George Harrison als Gast produziert hatte („See The Sun In My Eyes“). Und auch den alten Robin Gibb-Titel „Come Some Christmas Eve Or Halloyween“ hat er mit Lea gerade neu produziert und soll bald erscheinen.

Vince Melouney ist immer noch umtriebig, auch wenn das Alter an ihm zehrt und er keine ganze Produktion mehr auf der Bühne schaffen würde. Aber seinen Part beim „Massachusetts“-Musical füllt er immer noch mit Hingabe aus. Und das Musical an sich ist ohnehin ein riesiges Erlebnis – für Musiker wie Publikum.

Die gesamte Bilderstrecke hier:
https://www.allmusic.de/bildergalerie/bee-gees-musical-massachusetts

Spezieller Dank auch an Resetproductions:
https://www.resetproduction.de/shows/massachusetts-bee-gees-musical/